Wir müssen uns Sisyphos weder traurig noch glücklich, sondern als einen ständig scrollenden Menschen vorstellen. Einer von vielen Gedanken, die das neue Album “Jo-Jo” von Fritzi Ernst auslösen kann. Denn das titelgebende Jo-Jo – heute müsste man fast sagen: eine Art Retro-Kinderspielzeug – ist hier nicht nur vieldeutige Metapher für eine von Auf- und Abbewegungen geprägte Lebensrealität zwischen Streits, Trennungen, Bands, Kunst, Erinnerungen und Versöhnungen. Auch der Sound auf “Jo-Jo”, nach “Keine Termine” (2021) das zweite Album von Fritz Ernst nach dem Ende von Schnipo Schranke, hat sich verändert: Dominierten auf dem Vorgänger noch recht orthodoxe Songs mit leicht erkennbaren Strophen und Refrains, sind es auf “Jo-Jo” vor allem Loop-Strukturen: Kaskaden, die sich aufbauen, abbauen, unterwegs etwas mitnehmen oder auch wieder verlieren. Kunstvoll hoch und runter wie ein Jo-Jo eben.
Und auch inhaltlich vollzieht das neue Werk dieses Muster: Im titelgebenden “Jo-Jo” gleich zu Beginn, in dem sich die Sonne natürlich “hoch und runter wie ein Jo-Jo” bewegt, berichtet Ernst von fast apathischen Zuständen nach einer Trennung und setzt ganz nebenbei dem zurecht als beschissen geltenden Konzept des “revenge body” den optionalen “revenge sit-up” entgegen:
“Ich mach Sit-ups für den Fall, dass du zurückkommst / Und auch wenn nicht, ist das sicher nicht umsonst / Das hab ich nämlich noch nie gekonnt”
Wie bereits beim Album Keine Termine wurden alle Songs gemeinsam mit Ted Gaier von Die Goldenen Zitronen produziert. Und auch für das fantastische Artwork zeichnet erneut Danika Arndt verantwortlich. In dem Solo-Debüt “Keine Termine” sah die ZEIT ein Werk, in dem das “Do-it-yourself-Prinzip längst keine Selbstermächtigung mehr ist, sondern verordnete Lebensform des Neoliberalismus.” Der Spiegel hörte ein melancholisches Debüt mitten in die postpandemische War-is-over-Partystimmung. Mäanderte der Erstling noch irgendwo zwischen Depression Pop und Pop Depression, kommt “Jo-Jo” zwar more lighthearted, dennoch nicht weniger abgründig rüber. Der wundervoll anrührende Abschlusssong “Märchen” – samt unerwartetem Tagesausflug in den Rap – bildet das perfekte Echo auf den Trennungs-Titelsong “Jo-Jo”. Der Loop wird vollendet zum Kreis. Wirkliche “Ende gut, alles gut”-Stimmung mag jedoch trotzdem nicht aufkommen, denn es ist lediglich “endlich nicht vorbei” und es “bleibt mindestens ein Jahr / Liebeskummer jetzt erspart”. Wenn man so will, dann ist das hier eben keine Chillout-Area, sondern von vorne bis hinten eine Sprache des Vorbehalts und damit das perfekte Bild für Millennial-Lebensrealität in Zeiten der Multikrise. Klüger und unprätentiöser kann man zur Zeit keine deutschsprachige Popmusik machen.
Text: Dax Werner | |